Posted tagged ‘Kunduz’

Entschädigung auf eigene Faust

13. April 2010

Die Unklarheit darüber, wen der Anwalt Karim Popal im Fall der Entschädigung der Opfer des Luftschlags bei Kunduz im letzten Jahr vertritt, haben Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg und das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) nun dazu bewogen, die Gespräche mit Popal zu beenden und die offenen Fragen selbst in die Hand zu nehmen.

Den Verlautbarungen des BMVg zufolge seien die Gespräche nicht wegen der Forderung zur Zahlung von 200.000 Euro an Popal selbst abgebrochen worden, sondern weil dieser nach Aufforderung durch das BMVg nicht geklärt habe, ob er für alle Opfer spreche. Die Afghanische Unabhängige Menschenrechtskommission (AIHCR) hatte das BMVg am 22. März 2010 mit der Information kontaktiert, sie würde 30 Mandanten vertreten. Zwischen diesen und den 79 von Popal vertretenen Personen hätte es Überschneidungen gegeben, sodass nicht klar sei, wer wen vertreten würde.

Das Ministerium befürchtet zur Zeit weder eine Klage Popals, noch müsse es einem Rechtsanspruch der Opfer von Kunduz entgegensehen. Ein solcher Anspruch bestünde durch die Feststellung, es handele sich um einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt, nicht.

Mehr dazu auf Spiegel Online. Das offizielle Statement des Verteidigungsministerium auf bmvg.de.

Interview mit dem Minister beim ARD Morgenmagazin

12. April 2010

Das Video mit dem ARD-Morgenmagazin-Interview auf das ich mich heute früh bezog (via den Spiegel Online-Artikel) steht bei tagesschau.de online. Leider kann ich es gerade nicht einbetten und habe es bisher nicht herunterladen und bei YouTube hochladen können. Daher erstmal nur der Link: Zu Guttenberg im Interview zur Bundeswehrreform

Trauerfeier für die Gefallenen – Rede des Ministers (Video)

11. April 2010

Der User dokuundso1 hat bei YoutTube einen Mitschnitt der Rede des Verteidigungsministers auf der Trauerfeier in Selsingen am Freitag, 9. April 2010, online gestellt (via Afghanistanblog).

Der Wortlaut der Rede ist auf den Seiten des Verteidigungsministeriums nachzulesen.

Es lag nicht an der neuen Strategie…

6. April 2010

Der Karfreitag brachte eine traurige Meldung: Drei gefallene Bundeswehrsoldaten bei Kunduz, ein heftiges, lang andauerndes Gefecht mit von der Bundeswehr getöteten Soldaten der Afghanischen Nationalarmee (ANA)  und am Ende ein Video der Taliban (bei Youtube), die freimütig vor einem kurz zuvor gesprengten Dingo posieren. Einer der Männer auf dem Video hatte kurz zuvor den deutschen Soldaten beim Minenräumen freundlich zugewunken.

Dazu kommen nun Debatten um Ausbildungs- und Ausrüstungsmängel bei der Truppe und ein semantischer Verteidigungsversuch um der Stimmung in der deutschen Bevölkerung gerecht werden zu wollen. Während die Flaggen auf Halbmast hängen, muss die politische Führung gerade jetzt den Menschen den Sinn des Einsatzes und des Todes der jungen Menschen erklären und den Sinn der Mission in den Vordergrund stellen. Da hilft eben nicht nur eine Neubewertung des Einsatzes („umgangssprachlich“ könne man laut zu Guttenberg von Krieg sprechen, auch siehe Video der Pressekonferenz unten).

Zu Guttenberg sprach auf einer Pressekonferenz am Ostersonntag davon, der Karfreitag habe die Realitäten vor Ort dargestellt. Als er darauf zu sprechen kommt, warum wir in Afghanistan bleiben, sagt er nicht etwa warum wir in Afghanistan sind, sondern als erstes, dass wir auch aufgrund der neuen Strategie dort bleiben (also nicht aufgegeben haben?). Und die Karfreitagspleite wäre zudem kein Ergebnis jener neuen strategischen Ausrichtung. Als Grund wird stattdessen die Berechenbarkeit (der Maßnahmen der Bw innerhalb der alten Strategie) genannt. Erst danach ist von der Gefahr einer Destabilisierung der ganzen Region die Rede. Symptomatisch wird erst tagespolitische Kritik verworfen, auch etwaige Ausrüstungsmängel spielten keine Rolle.

Der Verteidigungsminister, der nach Bekanntwerden der Verluste seinen Urlaub („nach nur einem halben Tag“) abgebrochen hatte, dankte zudem den Verbündeten, die beim Abtransport der Verwundeten („ein großer, ein gefährlicher, ein tapferer Beitrag“) halfen. Diesbezüglich eigene nutzbare Kapazitäten schaffen? Es fällt kein Wort darüber.

Ich frage mich, was nun untersucht werden soll, wo man doch weiß, warum es zu den hohen Verlusten kam…

Und Kinder kann man ja nicht belügen…

19. Januar 2010

Die in der Öffentlichkeit am stärksten diskutierten Themen über den Verteidigungsminister wurden heute im SchulSPIEGEL bei einem Interview zusammengefasst. Sinn des Afghanistan-Einsatzes, Kriegssemantik, Falschaussagen bei der ministeriellen Berichterstattung über Vorkommnisse in Afghanistan. Das Ganze ist dann gespickt mit … ähm … ich sage mal den pro-Argumenten zum Afghanistan-Einsatz und ein paar für Kinder interessante Themen (Aufwachsen im Schloss, des Ministers Töchter, usw.).

Krieg kann man vom Empfinden her sagen, juristisch ist eine Definition schwierig. Die Taliban sind die Bösen. Eine Differenzierung zwischen gemäßigten und radikalen Taliban, zwischen Milizen und sonstigen Gruppen oder gar Al Kaida findet gar nicht statt. Und zum Schluss geht es ja darum, Schulen zu bauen etc.

Die Kunduz-Affäre zwar nicht erwähnend ist zu Guttenberg sich jedenfalls ziemlich sicher, dass der Untersuchungsauschuss ihm nichts zur Last legen wird. Weil Kinder belügt man ja beim besten Willen nicht…

Link zum Interview

Interview: Verhältnismäßigkeit vs. Angemessenheit und die Kommunikation mit den Taliban

20. Dezember 2009

Heute wurde bei Welt Online ein Interview mit dem Verteidigungsminister veröffentlicht. Ich will im folgenden nur auf zwei Apsekte ingehen, die interessant sind.

Am Freitag hatte ich geschrieben, dass der Minister an den derzeitigen Vorwürfen selbst schuld sei, da er eine juristische Bewertung vorgenommen habe, anstatt einer politischen. In dem Interview bezeichnet zu Guttenberg seine eigene Einschätzung als eben nicht juristisch. Er verweist dazu natürlich an die Bundesanwaltschaft, die die juristischen Konsequenzen ermitteln müsse.

Schauen wir einmal kurz in das Völkerstrafgesetzbuch. Paragraph 11, Absatz 1.3 gibt an:

§11, 1.3 Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. […]

M.E. erschließt sich juristisch gesehen aus der Verhältnismäßigkeit eines Angriffs doch letztlich nahezu automatisch die Angemessenheit. Oder liege ich da falsch? Also wenn die Verhältnismäßigkeit festgestellt wurde, war der Angriff militärisch angemessen. Nur weil das Wort „angemessen“ nicht im VStGB vorkommt, kann man aber dennoch die Aussage des Ministers „juristisch“ nennen, auch wenn er diese juristische Einschätzung politisch nutzte.

Ein anderer Punkt des Interviews tangiert den deutschen Umgang mit den Taliban. Vor Veröffentlichung des Interviews war davon die Rede, der Minister wolle mit „gemäßigten Taliban“ reden. Aus dem Interviewtext erschließt sich dann jedoch ganz klar, dass zu Guttenberg das nicht nur so nicht gesagt hat, sondern auch im Grunde vieles offen hält (via Augen geradeaus!). Der Minister greift das Stichwort „Kommunikationskanäle“ im Zusammenhang mit den Aufständischen übrigens selbst auf. Und zwar als Antwort auf die Frage zu den Erwartungen an die Afghanistankonferenz:

Guttenberg: Den Realitäten vor Ort gerecht werden; Abzugsperspektiven ohne Koppelung an Enddaten; keine reine Truppenstellerkonferenz. Wir brauchen ein besseres Verständnis von Regionalisierung – Einbindung der Nachbarn, und innerhalb des Landes, etwa bei der verantwortbaren Übergabe von Gebieten an die afghanischen Sicherheitskräfte. Man wird auch darüber nachdenken müssen, ob das, was Henry Kissinger „Kommunikationskanäle“ genannt hat, politisch nachzuschärfen ist. Nicht jeder Aufständische bedroht gleich die westliche Gemeinschaft.

Welt am Sonntag: Kanäle zu Talibangruppen?

Guttenberg: Zu Volksgruppen und Stämmen, solange man sich dadurch nicht selbst eine Falle stellt. Es gibt Unterschiede zwischen Gruppen, die aus der radikalen Ablehnung des Westens die Bekämpfung unserer Kultur zum Ziel haben, und etwa solchen, die sich ihrer Kultur vor Ort verbunden sehen. Das Abschneiden von jeglicher Kommunikation halte auch ich mittlerweile nicht mehr für allein gültig – allerdings müssen Kriterien gelten.

Als zu Guttenberg am 12. November 2009 in Masar-e-Sharif vor Soldaten sprach, hatte ich auf eine kleine Ungenauigkeit in seiner Rede hingewiesen, die vermutlich genau den Punkt berührt, der jetzt kurz vor der Afghanistankonferenz diskutiert wird. Will man langsam darauf vorbereiten, dass gewisse Gruppen an der Konferenz teilnehmen werden, die momentan dort nicht erwartet werden?

Minister in Kunduz (Video)

15. Dezember 2009

Am letzten Freitag besuchte der Verteidigungsminister überraschend Kunduz. Im Bundeswehr-Portal hat man nun einen kleinen Bericht online gestellt. Habs mal bei Youtube hochgeladen:

Entzaubert?

14. Dezember 2009

Der Spiegel hat den Verteidigungsminister heute zum Titelthema auserkoren und fasst unter der Überschrift „Schatten auf der Lichtgestalt“ die vergangenen Wochen zusammen. Kurz zusammengefasst: Zu Guttenberg bezeichnete den Luftangriff auf die beiden Tanklaster bei Kunduz, angefordert vom deutschen Oberst Klein am 4. September 2009, zuerst als „militärisch angemessen“ und machte dann eine Kehrtwende zur Interpretation „nicht angemessen“ nachdem er erfuhr,  dass Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär Wichert ihm einen Feldjägerbericht vorenthielten. Bei diesen ganzen Bewertungen stand augenscheinlich immer eines im Vordergrund. Sich vor Oberst Klein und damit alle deutschen Soldaten im Einsatz zu stellen. Während sich die Debatte bis zum Wochenende immer um die Inkaufnahme des Todes von Zivilisten, um das Nichteinhalten der Standardprozeduren bei der Anforderung von Luftschlägen und letztlich um die Informierung der deutschen Bevölkerung ging, hat sich mittlerweile herausgestellt, dass womöglich nicht wie behauptet die Tanklaster das Ziel waren, sondern die Taliban, die sie entführt hatten (und das war möglicherweise nicht mandatiert). Die Beteiligung von KSK und Taskforce 47 wird wohl erst der Untersuchungsausschuss herausstellen.

Die Glaubwürdigkeit zu Guttenbergs wird nun bezweifelt. Die Opposition forderte an diesem Wochenende seinen Rücktritt, weil er die Deutschen getäuscht haben soll und mit seinen Aussagen nicht aufrichtig gewesen sei. Dem aktuellen Informationsstand zufolge hätte er bereits aus dem COMISAF-Bericht entnehmen können, dass Oberst Klein die Menschen um die Tanklastzüge herum treffen wollte, was die Angemessenheit bei einer möglichen sehr hohen Anzahl von getöteten Zivilisten natürlich in Frage stellen müsste. Nun hat der Minister zwar seine Einschätzung korrigiert, aber der Opposition zufolge tat er das viel zu spät.

Okay, jetzt zurückzutreten wird wohl weder eine Lösung sein, noch ist es realistisch. Die Kanzlerin hat in dieser Legislaturperiode bereits einen Minister verloren. Die Popularitätswerte des Verteidigungsministers haben bisher anscheinend auch nicht gelitten (Infratest dimap: 69% der Befragten sind sehr zufrieden bzw. zufrieden mit zu Guttenbergs Arbeit, im Juli und September waren es noch 68%). Er hatte einen neuen Anspruch: Transparenz, Ehrlichkeit und Wahrheit sollten seine Politik bestimmen. Doch bisher konnte er kaum kreativ werden, sondern schlägt sich mit einer Altlast der Großen Koalition herum. Die Vorwürfe, die ihm jetzt entgegenfliegen stellen genau diesen Anspruch in Frage. Möglicherweise ist sein Anspruch in der heutigen demokratischen Gesellschaft nicht umzusetzen. Zu Guttenberg legte die Priorität auf den Schutz seiner Untergebenen durch die Verwendung einer juristischen (und nicht einer politischen) Bewertung des Angriffs. Damit konnte man ihn leichter angreifen. Die Opposition, die nun von ihm fordert auszupacken oder die Konsequenzen zu ziehen wird mit ihren Rücktrittsforderungen wohl nur eines bewirken. Der IBuK wird vorsichtiger werden, seinen eigenen Anspruch prüfen. Seine Abwehrkämpfe mündeten heute sogar in einer kleinen Offensive, als er seinen oppositionellen Gegnern Trittin und Gabriel auf die Täuschungsvorwürfe erwiderte, sie seien ebenso durch den COMISAF-Bericht informiert gewesen, dass die Taliban das Ziel waren.

Ob der Glanz des Ministers nun etwas ermattet ist oder eine Entzauberung stattgefunden hat, kann ich nicht sagen. Wichtig ist nur, dass sich der Politiker nicht einzig an Umfragewerten orientiert (und da könnte sich zu Guttenberg immer noch sonnen), sondern prinzipientreu bleibt, wenn er sie schon mal so kommuniziert hat: Turpe est aliud loqui, aliud sentire.

P.S.: Heute Abend soll zu Guttenberg übrigens bei „Beckmann“ (22.45 Uhr auf ARD) sein.